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Exkursion des Lateinkurses nach Trier

Exkursion des Lateinkurses nach Trier (22. bis 24. Juli 2022)

 

Wer Latein lernt, muss nach Trier fahren! Das letzte Wochenende vor Schuljahresende verbrachten wir, der Lateinkurs der Jahrgangsstufe 1, in der Stadt, deren Einwohner:innen selbstbewusst von sich sagen, sie lebten in der „ältesten Stadt Deutschlands“. Wohl unter Augustus gegründet, entwickelte sich Augusta Treverorum zu einem Zentrum der römischen Antike und wurde schließlich Kaiserresidenz. Der erste Stadtspaziergang führte uns zur Römerbrücke und lenkte unsere Aufmerksamkeit auf eine faszinierende archäologische Methode, mit deren Hilfe Forscher:innen den ungefähren Zeitpunkt der Stadtgründung bestimmt haben, die Dendrochronologie:

 

Die erste Brücke über die Mosel bestand aus Holzpfeilern, die als Grundlage einer einfachen Holzkonstruktion dienten. Durch die Errichtung dieser Brücke wurden Handelswege geschaffen und die Stadt Trier wurde als neuer Zentralort genutzt. Der Zeitraum der Entstehung dieser Brücke stützt sich hauptsächlich auf die Datierung der Holzpfeiler, welche gefunden wurden. Durch die Maserung der Jahresringe kann der Zeitraum nach Fällung bestimmt werden. (Leonie Klein und Rajka Munz)

 

Am Samstag wurden wir durch die dreiteilige Sonderausstellung des Rheinischen Landesmuseums mit dem Titel Der Untergang des Römischen Reiches geführt. Im folgenden Text schildert Elda Hasani ihre Gedanken zu einem dort gezeigten Relieffragment mit kämpfenden Barbaren (2. Jh. n. Chr.):  

 

Wir werden täglich mit bildlicher und gesprochener Propaganda konfrontiert, ob im Geschichtsunterricht oder am Beispiel anderer Länder. Ich habe bildliche Propaganda immer für etwas sehr „Modernes“ gehalten, dass Menschen erst im Mittelalter angefangen haben, Hass, Feindbilder und Stereotypen, verbildlicht und leicht erkennbar, zu verbreiten. Doch wie unser Lateinkurs in Trier erfahren hat, haben auch die Römer in der Antike nicht nur auf Reden-Propaganda gesetzt. Auch die Römer bildeten ihre Feindbilder und Stereotypen auf Gemälden und Statuen usw. ab. Ihre Feindseligkeit gegenüber den „Barbaren“ gaben sie gut zu erkennen durch typische „wilde“ und „unmenschliche“ Charakterisierungen, wie z. B. Abbildungen von nackten Barbaren und deren Zerstörungslust, ausgedrückt durch Holzkeulen und andere Waffen. Noch dazu wurden die „Barbaren“ als minderwertig angesehen, was ebenfalls in der Kunst zu erkennen ist. Sie werden kleiner, im Hintergrund oder unter den Römern abgebildet. So lässt sich sagen, dass bildliche Propaganda nichts „Neues“ oder „Modernes“ ist, sondern schon immer existiert hat.

 

Im Museum am Dom weckte die Forschungsgeschichte zu einem Exponat Nina Maiers besonderes Interesse. Sie schreibt über neue Untersuchungen zum Reliquiar des Sankt Paulinus:

 

In der Landesausstellung in Trier wurde unter anderem eine Büste von dem Bischof Paulinus ausgestellt. Diese enthielt, wie man nach dem Öffnen feststellte, den Schädel eines Menschen. Da man annahm, dass es sich bei diesem um den Schädel des Bischofs Paulinus von Trier handelt, ist diese Büste auch ein Reliquiar. Das Besondere war jedoch, dass man in der Augenhöhle des Schädels nach genaueren Untersuchungen das Puparium einer Fliege fand. Dieses Puparium wurde von einem Forensiker genauer untersucht und anhand dessen wurde festgestellt, dass dieser Mensch sich zum Zeitpunkt seines Todes in Kleinasien aufgehalten haben muss. Das deckt sich mit der Lebensgeschichte des Sankt Paulinus von Trier, der ebenfalls nach seiner Verbannung aufgrund von theologischen Streitigkeiten in Kleinasien verstarb und später nach Trier zurückgebracht wurde. So führte diese forensische Analyse zu der neuen Erkenntnis, dass die Möglichkeit besteht, dass es sich bei dem Schädel tatsächlich um eine Reliquie des Bischofs Paulinus handelt, auch wenn es kein endgültiger Beweis ist.

 

Am Sonntag zeigte uns ein waschechter Römer bei authentisch mediterranem Klima (35 °C!) das antike Erbe der Stadt. Natürlich trafen wir ihn direkt an der Porta Nigra, dem Wahrzeichen Triers. Jannis Abertshauser und Carlotta Lorch erklären, weshalb das Bauwerk so außergewöhnlich gut erhalten ist:

 

Die Porta Nigra wurde um 170 n. Chr. als Nordtor der römischen Stadt errichtet. Im Gegensatz zu den anderen Stadttoren entging sie der Zerstörung, weil sich hier um 1030 der griechische Mönch Simeon von Syrakus niederließ. Er lebte dort als Eremit in einer Zelle innerhalb des Ostturms und verbrachte seine Tage singend und betend. Noch im Jahr seines Todes 1035 sprach der Papst ihn heilig und der Trierer Erzbischof Poppo von Babenberg gründete ihm zu Ehren das Stift St. Simeon. Die Porta Nigra ließ er zu einer zweistöckigen Kirche umgestalten. Kaiser Napoleon verfügte 1804 ihren Abriss. Unter der preußischen Herrschaft wurde das Römertor endgültig wieder freigelegt. Von der Simeonskirche blieb nur der romanische Ostchor erhalten.

 

Nachdem wir die Kaiserthermen besichtigt hatten, endete unsere Exkursion mit einer sehr anschaulichen Führung durch den Trierer Dom und die Ausgrabungsstätte unter dem Haus. An nur wenigen anderen Orten werden die Anfänge des christlichen Lebens und Kirchenbaus so erfahrbar wie hier. Carl Müllerschön und Elissavet Verleti erinnern sich auch an manch überraschendes Detail:

 

Bei der späteren Umwandlung der Hauskirche in eine Basilika nutzte man die schon vorhandenen Ressourcen, wie z. B. Grabsteine von Gräbern. Auffällig ist dabei, dass Grabinschriften verkehrt herum an den Wänden platziert wurden. Sie wurden auf den Kopf gestellt, damit die Toten ihren Namen darauf nicht lesen und die Lebenden nicht heimsuchen konnten. Zur konstantinischen Zeit wurde nun die Basilika errichtet, welche zu einer der größten Kirchenanlagen in Europa erweitert wurde. Konstantin selber sah in den Christen eine aufsteigende Macht, weshalb er den Kirchenbau unterstützte und für eine Gleichstellung der Religionen sorgte. Einige Jahre später entstand der sog. Quadratbau des Trierer Doms. Trotz der vielen Zerstörungen durch z. B. Franken und Wikinger wurde die Kirche immer wieder erneuert, erhöht, neu gestaltet in antikem oder mittelalterlichem Stil. Der Trierer Dom ist ein Bauwerk, das ein Stück Erinnerung jeder Epoche in sich trägt: der römischen Antike, des Mittelalters, der Moderne wie auch der Postmoderne.

 

Rahmentext: Cordula Müller

 

Exkursion des Lateinkurses nach Trier