Johannes-Kepler-Gymnasium | Stuttgart-Bad Cannstatt

Aktuelles

An Board von SOFIA

SOFIA beschleunigt auf der Startbahn, hebt ab und dreht sofort in Richtung Nordosten ab. Es ist kurz nach Sonnenuntergang und die letzten Sonnenstrahlen scheinen über den Pazifik. Kurz darauf bricht die Nacht herein, das Flugzeug steigt auf 39000 Fuß und im Heck öffnet sich die seitliche Tür ohne ein einziges Wackeln. Auf dem Bildschirm an der Steuerkonsole erscheinen die ersten Sterne!
Zusammen mit vier weiteren LehrerInnen aus Deutschland sitze ich mit an Bord, kann den Astronomen, Piloten und Technikern über die Schulter schauen, jede erdenkliche Frage stellen und dabei sein, wenn Galaxien vermessen und Wasservorkommen auf dem Mond kartografiert werden. Das Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie (SOFIA) ist eine verkürzte Boeing 747 aus dem Jahr 1979. Unter der Federführung des DLR wurde im Jahr 2004 ein 2,5 m großes Infrarotteleskop gefertigt und im Gemeinschaftsprojekt mit der NASA in das Heck eingebaut. Sitzplätze hat das Flugzeug nur noch wenige. Eine riesige Tür schützt die empfindliche Optik und wird zum Beobachten geöffnet. Das einfallende Licht wird im Hauptspiegel gesammelt und über zwei weitere Spiegel zum Instrument („Kamera“) weitergeleitet. Das Besondere: Im Vergleich zu Satelliten oder Weltraumteleskopen kann dieses Instrument beliebig oft gewechselt oder erneuert werden.
Infrarotlicht ist sehr langwellig und für unsere Augen nicht sichtbar. Da alle Körper elektromagnetische Strahlung aussenden und diese stark von deren Temperatur abhängt, werden im Infraroten deutlich kühlere Objekte beobachtet wie zum Beispiel Sterne. Vor allem Planeten, Monde und Staub in unserer eigenen und in fremden Galaxien sind solche kälteren Körper, die nur infrarotes Licht aussenden. Infrarotlicht selbst wird vor allem von Wasserdampf absorbiert, sodass es unterhalb der Atmosphäre nicht beobachtet werden kann. Deshalb kann man einen Satelliten starten oder ein 17 Tonnen schweres Teleskop in ein Flugzeug einbauen und dieses drei Abende pro Woche von Palmdale in Kalifornien starten lassen.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), vertreten durch das Deutsche SOFIA Institut an der Uni Stuttgart, schickt uns auf zwei dieser Flüge mit.
Am ersten Beobachtungstag im September steigt SOFIA auf 39.000 Fuß, öffnet das Tor am Heck und beginnt sofort mit der Arbeit: Setup und Einstellen der Lagerung, Nachführung und Optiken auf die Beobachtungsbedingungen. Danach spüren wir eine Linkskurve und es geht in leichter Kurvenbahn (gegen die Erddrehung) nach Westen. Erst über Land, dann überm Pazifik wird der nördliche Randbereich des Mondes gerastert. Im Spektrum des vom Mond reflektierten Lichts erkennt man bei 6 Mikrometern ein Maximum, welches auf eingeschlossene Wasservorkommen schließen lässt. Anicia von einem amerikanischen Forschungsinstitut erklärt uns, dass untersucht wird, ob die Vorkommen abhängig von der geografischen Lage, der Tageszeit und den geologischen Formationen sind. Unter anderem soll damit die nächste Mondmission vorbereitet werden.
Außerdem erklären uns Missionsdirektor William und Teleskopingenieur Oliver, wie komplex die Flug- und Beobachtungsplanung ist. Astronomische Ziele müssen mit Erdrotation, Tageszeit, Beobachtungseinheiten, Teleskopparametern, gesperrtem Luftraum und der Heimkehr an den Startflughafen nördlich von Los Angeles abgestimmt werden. Das Teleskop muss auf Bruchteile von Millimetern genau Turbulenzen und Schwankungen der Flugrichtung ausgleichen und gleichzeitig präzise auf das Ziel gerichtet bleiben.
Nach vier Stunden Mondbeobachtung dreht das Flugzeug mitten auf dem Meer und steigt in die Stratosphäre. 43.000 Fuß (ca. 14km) steht jetzt auf der Anzeige der Konsole. Oberhalb von 99% des Wasserstoffs trifft auch das schwächste Licht auf die Sensoren. Der aktive galaktische Kern NGC2273 steht auf dem komplizierten Beobachtungsplan. Eine Spiralgalaxie mit supermassereichem Schwarzem Loch im Kern, welche von einem großen Torus von Staub umschlossen ist und ständig Materie nach oben und unten ausstößt. Das bessere Verständnis solcher Systeme ermöglicht es, Stern- und Galaxienentstehung sowie deren Entwicklung zu modellieren. Christian vom deutschen SOFIA Institut zeigt uns die unterschiedlichen Galaxientypen: Normale Galaxien wie unsere Milchstraße, Star Burst Galaxie mit aktiver Sternentstehung und aktive galaktische Kerne mit stark aufgeheiztem Staub.
Keine klassische Fortbildung, sondern hautnah mit dabei sein, reinriechen, zuhören – nur nicht anfassen – dabei könnte zu viel kaputt gehen. Beim Start und bei der Landung auf dem Jumpseat im Cockpit direkt hinter den Piloten sitzen, den Großen Wagen über den Wolken fotografieren, unveröffentlichte Wasserkartierungen des Mondes ansehen und Galaxien direkt ins Herz schauen. Wahnsinn und einfach unglaublich!
Kurz vor Sonnenaufgang, nach zehn Stunden Flug, geht der letzte Beobachtungsabschnitt zu Ende. Die Tür geht zu. „Fasten your seatbelts, please!“ schallt es über Funk aus dem Cockpit. Sanfte Landung und morgens um sechs Uhr direkt ins Bett.

Nils Wüchner

 

An Board von SOFIA